Il Guercio

Il Guercio, der einäugige Halunke von Tenuta di Carleone, ist das Spiegelbild seines Vaters. Sean O'Callaghan, der Winzer-Vater, dem wir diesen Tropfen zu verdanken haben, ist von Geburt an auf einem Auge blind. Ein Handicap, mit dem man einen anderen Blick auf die Welt gewinnt. Manchmal einen besseren, manchmal einen schlechteren, aber immer einen eigenen.

Daher: Nein. Genau genommen passt dieser Wein aus 100% Sangiovese in keine typische „Chianti“-Schublade. Er ist mutig und anders. Ein Wein, wie er nur aus der Toskana kommen kann, mit einem Twist, wie man ihn noch nie geschmeckt hat. Die Trauben stammen aus dem Weinberg „Mello“ auf 700 m im warmen Süden des Chianti. Sie werden für eine volle Reife spät von Hand gelesen und bis zu 4 Monate mazeriert, also auf dem Saft ruhen gelassen. Die Fermentation findet mit 20% Volltrauben in Zementtanks spontan statt. Die Reifung nimmt sich dann weitere 12 Monate in den gleichen Tanks Zeit. Geschwefelt wird dabei so wenig wie möglich. Das braucht man bei derart guter Arbeit auch gar nicht. Heraus kommt ein fein strukturierter Wein, den wir vermutlich bald selbst ausgetrunken haben werden. Ein Sangiovese der endlich mal nicht von Cabernet oder Merlot verwaschen wird, sondern pur und nackt zeigt, wie die Rebsorte sein kann.

Das heißt: Rote Beeren, etwas Leder, Schokolade, Weihrauch, Piment und ups, das erste Glas ist schon fast wieder leer. Schnell nachschenken, bevor es jemand sieht. Zur Verkostung noch eins - einfach mal ein Auge schließen und über's Leben nachdenken. Auf die Halunken.